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Otloh von St. Emmeram: Autor und Kopist

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Der Kopist

Die Kindheit und die Jugendjahre: Tegernsee und Franken

»[...] möchte ich jetzt auch noch erzählen, welches Wissen und welche Fähigkeit zu schreiben mir vom Herrn in kindlichem Alter gegeben worden sind. Als ich also als Knabe der schulischen Erziehung übergeben worden war und die Buchstaben und Lieder, die mit den Buchstaben gelernt werden, rasch begriffen hatte, fing ich schon lange vor der gewohnten Zeit, sie zu erlernen, und ohne Aufforderung eines Lehrers an, mir die Kunst des Schreibens beizubringen. Auf verstohlene, ungewohnte Weise und ohne einen, der es mich lehrte, bemühte ich mich nämlich, mir diese Kunst des Schreibens anzueignen. So kam es, dass ich mir angewöhnte, die Feder beim Schreiben auf falsche Weise zu halten, und darin nachher von keinem Lehrer mehr korrigiert werden konnte. Die zu starke Gewohnheit hinderte mich nämlich daran, es zu ändern. Viele, die das sahen, sagten einmütig, ich würde niemals gut schreiben.

Aber durch die Gnade Gottes kam es anders, wie sehr vielen bekannt ist. Zu derselben Zeit, in meiner Kindheit nämlich, zu der mir mit den anderen Jungen eine Wachstafel übergeben wurde, um die Schrift zu erlernen, zeigte sich, dass ich im Knabenalter schon etwas schreiben konnte, und so bot ich denen, die es sahen, ein nicht geringes Wunder dar. Dann fing ich aber nicht lange danach an, so gut zu schreiben, und hatte auch eine solche Neigung dazu, dass ich an dem Ort, wo ich solches erlernt habe, nämlich dem Kloster von Tegernsee, viele Bücher abgeschrieben habe. Als ich mich dann nach Franken begeben hatte, mühte ich mich, obwohl noch ein Knabe, auch dort so sehr, vieles abzuschreiben, dass ich fast der Sehkraft beraubt war, als ich von da zurückkehrte.

Dies mitzuteilen habe ich deshalb beschlossen, um andere zu ähnlicher Arbeitsliebe anzuspornen und um sie mit mir zu ziehen, die Gnade Gottes zu preisen, indem ich anderen von dieser Gnade Gottes erzähle, die mir solche Gaben schenkte. Und um das noch weiter auszuführen, möchte ich mitteilen, wie sehr ich mich auch nachher dem Abschreiben widmete, als ich aus Franken zurückgekehrt war. Dort bin ich freilich gewesen, als Kaiser Heinrich starb und Konrad zum Kaiser erhoben wurde« (Gäbe, op. cit., S. 353–355).

Die Tätigkeit im Kloster St. Emmeram in Regensburg

»Nachdem ich also in das Kloster des heiligen Emmeram gekommen war, um das Mönchsgelübde abzulegen, war ich, durch die Bitten gewisser Menschen gedrängt, bald wieder so sehr mit der Tätigkeit des Abschreibens beschäftigt, dass ich sie selten außer an Festtagen oder zu anderen Stunden, an denen es nicht möglich war, unterbrach. Bald kam auch noch eine andere Aufgabe dazu. Weil man nämlich sah, dass ich sehr oft las, abschrieb oder selber als Autor tätig war, wurde mir die Sorge für die Schüler anvertraut. Durch alle diese Tätigkeiten wurde ich mit der Gnade Gottes derart beansprucht, dass es mir oft nicht möglich war, dem Körper die nötige Ruhe zu gönnen. Und obwohl ich das Streben besaß, schriftstellerisch tätig zu sein, hatte ich dazu sehr oft keine Zeit außer an Feiertagen und nachts, da ich durch die Sorge um die Jungen zum Lehren gezwungen war und zum Abschreiben durch die Bitten jener, für die ich abzuschreiben begonnen hatte« (Gäbe, op. cit., S. 355).

'Libri' und 'libelli'

»Also habe ich außer den von mir selbst verfassten Büchern, die ich sowohl unaufgefordert als auch auf Bitten hin geschrieben habe, um sie zur Erbauung anderer zur Verfügung zu stellen, 19 Missalia abgeschrieben, 10 davon für Äbte und Brüder in unserem Kloster, 4 davon aber für die Fuldaer Brüder und 5 für Brüder an anderen Orten. Außerdem habe ich abgeschrieben drei Evangelienbücher und zwei mit den Briefen und Evangelien, die Lektionare genannt werden, ferner zwei Offizienbücher, außerdem zwei Bücher des heiligen Augustinus, in einem von ihnen sind 8, im anderen 5 Werke enthalten, und die Vätergespräche und die Hierarchie. Dazu habe ich auch noch vier Matutinalbücher abgeschrieben, eines, das für Freunde in Böhmen geschrieben wurde, war von einer solchen Vollständigkeit, dass man meint, es sei nach unserem Brauch für den ganzen Jahreskreis, sowohl für die Werktage wie für die übrigen Tage geschrieben. Weil es offensichtlich von so großem Nutzen war, ließ es einer unserer Brüder mit Namen Reginbert abschreiben, und es wird bei uns aufbewahrt. Weil es aus vielen Büchern zusammengestellt ist, wird es für die, die Mangel an Büchern haben, ziemlich notwendig sein. Ich habe auch vieles andere von geringerem Umfang abgeschrieben und vieles Geschriebene mit Noten versehen, was ich nicht alles aufzählen konnte, noch wollte, weil es offensichtlich nichts Großartiges war. Nach diesem Buch aber, das kürzlich, wie ich bereits sagte, von mir geschrieben worden ist, habe ich weiter nichts Großes abgeschrieben außer einem Psalter, weil mich das Alter und verschiedenes Leiden daran gehindert haben, besonders aber die tägliche Beunruhigung, die mir durch lange Zeit hindurch aus mannigfachen Sorgen und aus der Trauer wegen des Niedergangs unseres Klosters zuwuchs. [...]

Ich möchte auch noch mitteilen – soweit ich mich erinnern kann –, wie viele Bücher ich gewissen Klöstern und Freunden übergeben habe. Und zwar will ich an erster Stelle die Fuldaer Brüder nennen. Weil ich mich bei ihnen ganz besonders bemühte, viele Bücher abzuschreiben und abschreiben zu lassen, die ich dann unserem Kloster mitbrachte, habe ich auch bei uns Bücher abgeschrieben, die jene selbst nicht hatten. Wie ich mich erinnere, habe ich ihnen nämlich 7 Bücher übergeben, den Hersfeldern aber 2. Als ich aus jener Gegend zurückkehrte und nach Amorbach kam, habe ich dem Abt dieses Ortes 1 Buch übergeben.

Als ich danach mit unserm Bruder Willehalm aufbrach, gab ich ihm 4 Bücher, unter denen ein recht kostbares Missale war. Für den Abt von Kempten habe ich 1 Buch abgeschrieben; für den Abt von Lorsch 1 Buch.

Für den Abt von Einsiedeln 1 Buch; für den Abt von St. Afra 1 Buch; für einen gewissen Bischof von Langres 1 Buch, als er zu uns kam; für den Bischof von Augsburg 1 Buch; für den Abt von Ebersberg 1 Buch; für den Bischof von Bamberg 1 Buch; für Altaich 2 Bücher; für gewisse Freunde in Böhmen 4 Bücher; für einen Freund in Passau 1 Buch (er hat mir auch das Pergament dazu gegeben); für eine Nonne in Eichstätt 1 Buch; für einen Mönch von St. Burckhard 1 Buch; für den Abt von Freising 1 Buch; für Tegernsee 2 Bücher; für Weltenburg ein Matutinalbuch.

Ebenso habe ich für die Reichenau ein großes Matutinalbuch abgeschrieben, aber dafür ist mir auch Lohn gegeben worden; für das Kloster Prüll, das in unserer Nähe liegt, einen Band, in dem drei Bücher enthalten waren. Aber auch dem Sohn meiner Schwester, der dort lebt, habe ich 1 Buch und verschiedene Briefe gegeben. Nach Obermünster habe ich auch 3 Bücher abgegeben; nach St. Paul 2 Bücher; nach Niedermünster 1 Buch.

Außerdem habe ich früher vielen anderen Predigten, Sprichwortsammlungen oder irgendwelche Schriften zur Erbauung gegeben oder geschickt« (Gäbe, op. cit., S. 355–361).